Predigt zum 26. April

Predigt zum 26. April

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ich habe keine eigene Predigt für den 26. April verfasst. Die folgende Predigt zu 1.Petrus 2,21-24, verfasst von Suse Günther, gefällt mir aber sehr gut, weshalb ich sie hier einstelle.

Ein evangelischer Gottesdienst zum heutigen Sonntag aus Schopfheim ist zu finden unter https://www.badische-zeitung.de/video-evangelischer-gottesdienst-aus-der-stadtkirche-schopfheim-am-26-april-2020–185130808.html.

Ab 10:30 Uhr ist ein Stuttgarter Gottesdienst auf YouTube zu empfangen, s. hier unter “Das Wort zum Sonntag”.

Ich wünsche Ihnen/dir einen gesegneten Sonntag. Hartmut Häcker, Pfr

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN

Denn dazu seid Ihr berufen, da auch Jesus Christus gelitten hat für euch und hat euch ein Vorbild hinterlassen, dass Ihr seinen Fußstapfen nachfolgen sollt.

Er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand, der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet, der unsere Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leib auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben.

Durch seine Wunden seid Ihr heil geworden. Denn Ihr wart wie die irrenden Schafe, aber Ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischoff Eurer Seelen.

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

Liebe Gemeinde!

„Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit Ihr tut, wie ich Euch getan habe“: Wenn Ihnen dieser Satz bekannt vorkommt, so ist das kein Wunder, denn er gehört zu den Texten, die wir jedes Jahr kurz vor Ostern lesen: Mit diesen Worten begleitet Jesus in der Darstellung des Johannesevangeliums die Fußwaschung, die dem letzten Abendmahl vorausgeht (Joh 13,15)

Sie erinnern sich: Die Jünger treffen sich zum Passahmahl und haben, wie das in einem heißen und staubigen Land normal ist, schmutzige Füße. Es gehört zu den Wohltaten, die der Gastgeber seinen Gästen zukommen lässt, dass sie eine Schüssel mit Wasser gereicht bekommen.

Dass der Gastgeber allerdings selbst die schmutzigen Füße seiner Gäste wäscht, ist ungewöhnlich.

Und so weigert sich Petrus erst einmal, sich auf diese Weise von Jesus bedienen zu lassen. Das kommt für ihn überhaupt nicht in Frage.

Jesus überzeugt ihn dann aber doch mit den Worten:

„Wenn ich Dich nicht wasche, so hast Du keinen Anteil an mir“

So weit der Rückblick auf das, was doch noch gar nicht so lange zurückliegt, auf den Gründonnerstag.

Ob es sich genauso zugetragen hat für Petrus, möglich wäre es. Denn so viel ist sicher richtig:  Der ungestüme Petrus hat durch vielerlei Erlebnisse Anteil an Jesus gewonnen. Petrus war Jesu Freund. Er war der, der bedingungslos gehorchte und die Netze nach einer erfolglosen Nacht noch einmal auswarf. Er war der, der sich ins Wasser stürzte, damit Jesus ihn nicht ohne Hemd bei der Arbeit sah. Er war der Fels, auf den Jesus sich verlassen konnte. Er war der, der auf Jesu Vergebung angewiesen war: In der Nacht vor der Kreuzigung hat er es mit der Angst zu tun bekommen und nicht zu Jesus gehalten, obwohl er doch noch kurz vorher mit dem Schwert auf den Soldaten losgegangen war, der Jesus festgenommen hatte. Eine Person mit vielen unterschiedlichen Seiten, so wie wir alle, angewiesen auf Jesus.

Nach Jesu Tod ist er als Apostel in der Welt unterwegs, um den Menschen von Jesus zu erzählen. Von Jesus, der ihm ein Beispiel gegeben hat, das sein Leben für immer verändert hat. Von Jesus seinem Freund. Von Jesus, an dem er Anteil gewonnen hat.

Von diesen ganz persönlichen Erfahrungen mit Jesus berichtet Petrus den Menschen, zu denen er kommt. Er legt Zeugnis ab von dem, was ihm durch Jesus zuteil wurde. Er redet von dem, was ihn bewegt.

Und bewegt damit seinerseits die Menschen.

Denn der Petrusbrief, aus dem unser heutiger Predigttext stammt, ist nicht von Petrus selbst geschrieben. Sondern hundert Jahre später von Menschen, die in seinem Namen seine Botschaft weitergeben. Der Brief ist auch kein richtiger Brief, der sich, wie etwa die Paulusbriefe, an eine bestimmte Gemeinde richtet. Sondern, ganz im Sinne des Petrus, legen hier Christen Zeugnis ab für andere. Sie erzählen, was ihnen Kraft gibt in den Verfolgungszeiten, die nun für die Christen angebrochen sind. Sie beschreiben, was ihren christlichen Glauben ausmacht und wie dieser Glaube stärkt. Sie geben ein Beispiel. So wie Petrus ihnen ein Beispiel gegeben hat. Und wie Jesus Petrus ein Beispiel gegeben hat.

Und stellen damit sich und die Christinnen und Christen, die vor ihnen gekommen sind und die nach ihnen kommen werden, in eine Verbindung. Sie fädeln eine lange  Perlenkette auf mit vielen einzelnen Perlen

Das besondere an so einer Kette ist ja aber dies: Dass immer auch die letzte Perle wieder mit der ersten in Verbindung treten kann. Irgendwann schließt sich der Kreis. Und so ist es nur folgerichtig, wenn im Predigttext argumentiert wird:

„Christus hat Euch ein Vorbild hinterlassen“ Euch allen. Damals wie heute, jetzt und hier.

Es ist das, was wir Menschen in schweren Zeiten brauchen: Ein Vorbild, jemanden, an dem wir uns orientieren können, der uns den Weg ebnet und vorangeht.

Wir sind mit Christus verbunden in einer langen Abfolge von allem Anfang an. Viele andere sind auf diese Weise mit uns verbunden und haben uns ein Vorbild hinterlassen.

In diesem Monat haben wir besonders an Dietrich Bonhoeffer gedacht, der im April 1945, also vor 75 Jahren ermordet wurde also zu einem Zeitpunkt, wo der zweite Weltkrieg schon fast überall vorbei war. Seine Texte haben überlebt und sind manchen Menschen so tröstlich und so bekannt, dass sie sie für Bibelworte halten.

Andere Vorbilder werden uns geprägt haben. Unser ganz persönlicher Glaube hat sich entwickelt durch und an Menschen, die ihn uns vorgelebt haben.

Und dann, ja dann, erleben manche Menschen auch die ganz besondere Begegnung mit dieser ganz besonderen allerersten Perle, mit Jesus Christus selbst. Der Kreis schließt sich, Anfang und Ende, Himmel und Erde berühren sich.

Das alles lese ich aus dem heutigen Predigttext heraus, es tröstet mich.

Dann aber sehe ich den Text im Zusammenhang und stelle fest (Verse 18-20) dass diese Worte an eine ganz bestimmte Menschengruppe gerichtet wurden: An die Sklaven, die es im römischen Reich zahlreich gab. Im Christentum wurde Sklaverei zwar von allem Anfang an abgelehnt, hier gab es nur noch Gleichgesinnte.

Trotzdem aber fordert der Petrusbrief die Sklaven auf, sich nicht aufzulehnen, sondern sich ihren jeweiligen Dienstherren unterzuordnen. Und begründet das mit dem Beispiel Jesu Christi, der ja seinerseits auch das Leiden ausgehalten hat.

Ich stolpere über diese Worte, sie stimmen mich nachdenklich. Ich sehe mich in einer langen Kette mit den allerersten Christinnen und Christen, einer Kette mit vielen Perlen, deren allererste Jesus ist.

Ich möchte fragen, wie die Worte des Petrusbriefes auf meine Zeit übertragbar sind. Wer sind die Sklavinnen und Sklaven meiner Zeit im direkten und im übertragenen Sinne. Wer sind die Menschen, die gar keine Wahl haben, die unterdrückt leben in Abhängigkeit von Geldgebern und Arbeitgebern.

Sind es die, die in chinesischen Straflagern, in die sie schuldlos gekommen sind, ohne Bezahlung arbeiten? Sind es die, die in Südafrika totgeprügelt werden, wenn sie auf der Suche nach Nahrungsmitteln in einer Ausgangssperre ihre Hütte verlassen? Sind es die, die in Amerika durch die Corona Krise Arbeit und Wohnung verloren haben und nun in ihrem Auto leben, immer auf der Suche nach kostenlosen Nahrungsmitteln? Sind es die, deren Lebensgrundlage durch Heuschrecken an nur einem Nachmittag zerstört wurde?

Sind die Worte des Petrusbriefes – ordnet euch ein und ordnet euch unter, euer guter Hirte wird es schon richten, in einer solchen Situation nicht blanker Hohn, zumindest aber eine billige Ausrede für uns?

Unser Bundespräsident hat in seiner Osteransprache unsere Gedanken in andere Richtung gelenkt.

In Bezug auf die Corona Krise sagt er: „Diese weltweite Herausforderung ist eine Prüfung unserer Menschlichkeit. Denn das bedeutet Solidarität: Mein Handeln ist für andere überlebenswichtig. Wir haben in den vergangenen Wochen gezeigt, dass wir zu Vertrauen, Rücksicht und Zuversicht in der Lage sind. Die Welt wird eine andere sein – so sagt Frank Walter Steinmeier – wie sie wird, das liegt an uns.“

Eine weitere Perle in meiner Kette, ein solcher Bundespräsident. Eine Perle der Menschlichkeit, die mich mit allem Anfang verbindet, mit Jesus Christus. Und die mich mit den Menschen auf aller Welt verbindet. Mit denen in Afrika, in China, in Amerika und denen direkt nebenan.

Ich denke mir, dass der Petrusbrief keine billige Ausrede finden wollte, um sich selbst aus der Verantwortung zu ziehen. Er wollte vielmehr in der schlimmen Situation Mut zu sprechen: „Haltet durch, denn es gibt einen, der Eure Sache vertritt, Jesus Christus selbst, Jesus Christus, der eben nicht die Füße des Petrus durch einen Sklaven hat waschen lassen, sondern der das selbst gemacht hat.  Der sich damit nicht nur in die dienende Rolle gebracht hat, sondern der auch gezeigt hat: Ich habe Euch, Ihr Sklavinnen und Sklaven, im Blick. Ihr seid mir wertvoll“

Ich möchte das den Sklaven und Sklavinnen unserer Zeit auch sagen: „Ihr seid nicht vergessen, es gibt einen, der an Euch denkt von allem Anfang an.“

Und ich möchte darüber hinaus auch zeigen und sagen:

„Ihr seid nicht vergessen, es gibt Menschen, die an Euch denken: Menschen, die versuchen, Jesu Beispiel zu folgen.

Die Geld spenden. Die Eure Geschichte erzählen und öffentlich machen. Die verstanden haben, dass ihr Handeln für andere überlebenswichtig ist.“

Wir alle sind Perlen einer langen Kette, die sich nur schließen kann, wenn alle dazugehören.

In der weltweiten Corona Krise hat sich ein ganz neuer Gruß eingebürgert. Menschen sagen das einander zu: “Bleiben Sie gesund“ oder auch „bleiben Sie behütet“. Menschen, die verstanden haben, dass wir uns nicht alles selbst machen können. Sondern dass wir alle auf Hilfe und Schutz angewiesen sind.

Der Petrusbrief erinnert an Jesus, den guten Hirten, der uns gerade in diesen Tagen behüten möge. Mir fällt dazu ein lockerer Spruch aus meiner Jugend ein:

„Der Mensch ist gar nicht gut, drum braucht er einen Hut. Oh Herr sei unsre Mütze, dass uns was beschütze.“

Ja, so einen Hut brauche ich. Wie im Märchen. Ich ziehe ihn an und weiß mich behütet. Mein symbolischer Hut. Gott, der mich beschützt, der ein Auge auf mich hat, der ein Auge auf uns alle hat.

Behütet gehe ich los. In die Welt hinein, den Wegen entlang und den Menschen entgegen, die Gott für mich vorgesehen hat.

Ja, Gott, ich brauche Dich in diesen Tagen.  Als Hirte, als Mitmensch, als Anfang und Ziel, als den, der vorausgeht und immer wieder Beispiel gibt. Erinnere uns daran, dass wir füreinander überlebenswichtig sind.

Bleibe bei uns, rufe uns alle immer wieder neu ins Leben. AMEN