Predigt zum 3. Mai

Predigt zum 3. Mai

Jesus ist der wahre Weinstock

Predigttext aus Johannes 15

1 »Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weinbauer. 2 Er entfernt jede Rebe an mir,

die keine Frucht bringt; aber die fruchttragenden Reben reinigt er, damit sie noch mehr Frucht bringen.

3 Ihr seid schon rein geworden durch das Wort, das ich euch verkündet habe.

4 Bleibt mit mir vereint, dann werde auch ich mit euch vereint bleiben. Nur wenn ihr mit mir vereint bleibt, könnt ihr Frucht bringen, genauso wie eine Rebe nur Frucht bringen kann, wenn sie am Weinstock bleibt.

5 Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben. Wer mit mir verbunden bleibt, so wie ich mit ihm, bringt reiche Frucht. Denn ohne mich könnt ihr nichts ausrichten.

6 Wer nicht mit mir vereint bleibt, wird wie eine abgeschnittene Rebe fortgeworfen und vertrocknet. Solche Reben werden gesammelt und ins Feuer geworfen, wo sie verbrennen.

7 Wenn ihr mit mir vereint bleibt und meine Worte in euch lebendig sind, könnt ihr den Vater um alles bitten, was ihr wollt, und ihr werdet es bekommen.

8 Die Herrlichkeit meines Vaters wird ja dadurch sichtbar, dass ihr reiche Frucht bringt und euch so als meine Jünger erweist.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Da tauchen alte Erinnerungen vor meinem inneren Auge auf: mein Vater hatte Weinberge und da waren wir als Kinder selbstverständlich bei der Lese mit dabei. Auch ich bekam eine Schere und ging mit meinem Eimer von Weinstock zu Weinstock. Wir hatten hauptsächlich Riesling, nur ein paar wenige Trollingerstöcke. Und da gab’s auch schlechte Jahrgänge: Ende Oktober oder gar Anfang November, nach etlichen Wochen Dauerregen und bei Kälte mussten die Reben geschnitten werden. Aber meist war das Lesen eine fröhliche und arbeitsintensive Tätigkeit.

Jesus benutzt das Lesen im Weinberg (Wengert) als Gleichnis. Er verweist vor allem darauf, dass schlechte Beeren, gar schlechte Trauben beim Lesen gleich aussortiert und weggeworfen werden. Die sind wertlos. Da gibt‘s nicht mal so etwas wie zweite Klasse, sondern da gibt’s nur gut oder unbrauchbar.  

„Ich bin der Weinstock – sagt Jesus – und ihr seid die Reben. Wer mit mir verbunden bleibt, so wie ich mit ihm, bringt reiche Frucht.“ Was meint er damit „Wer mit mir verbunden bleibt“? Ich behaupte mal: damit ist alles gesagt. Damit sind alle Handlungsanweisungen für Christen gegeben. Denn da steckt alles drin:

Mit Jesus verbunden bleiben heißt: ihn als Vorbild nehmen.

Mit Jesus verbunden bleiben heißt: die Liebe ist oberstes Prinzip

Mit Jesus verbunden bleiben heißt: das Wohlergehen meiner Mitmenschen ist mir so wichtig wie mein eigenes Wohlergehen.

Mit Jesus verbunden bleiben heißt: ich gehe mit allen Menschen, mit denen ich zu tun habe, so um, als seien sie meine Schwestern und Brüder.

Mit Jesus verbunden bleiben heißt: ich weiß, dass ich Fehler mache, dass ich rechthaberisch bin, dass ich schnell andere für schuldig erkläre – aber mir ist vergeben. Und darum kann ich auch anderen vergeben.

Das meint Jesus, wenn er sagt: „ihr bringt reiche Frucht“.

Nun ist im Predigttext aber auch eine Behauptung von Jesus, die ist so einfach nicht. Ist sie überhaupt wahr? Er behauptet:

„Wenn ihr mit mir vereint bleibt und meine Worte in euch lebendig sind, könnt ihr den Vater um alles bitten, was ihr wollt, und ihr werdet es bekommen.“ In dieser Zeit, in der das Coronavirus Menschen auf der ganzen Welt bedroht, wird ja grade damit von vielen Menschen ein böses Spiel getrieben. Sie behaupten: ich bin gläubig, mir kann das Virus nichts antun. Manche Prediger und sogar Staatsoberhäupter wie John Magufuli von Tansania behaupten das und handeln entsprechend. Der Pastor Landon Stradlin (Virginia), Pfarrer der evangelikalen Kirche in den USA hat also trotzdem Gottesdienste mit vielen Menschen gefeiert. Und er ist am Coronavirus gestorben. In Tansania greift die Krankheit um sich. Ärzte sind entsetzt über solches Verhalten.

Aber wie sollen wir Jesu Worte dann verstehen: „Wenn ihr mit mir vereint bleibt und meine Worte in euch lebendig sind, könnt ihr den Vater um alles bitten, was ihr wollt, und ihr werdet es bekommen.“ Muss man eben ein wirklich ganz toller Christ sein, dann klappt das? Nein, das ist garnicht möglich. Das gibt es eben nicht, dass manche bessere Christen sind als andere und dass man das daran merkt, wie es ihnen geht. Dass sie zB gesünder sind oder reicher, wohlhabender. Es gibt nicht die Christen, die keine Fehler machen. Und die guten Leistungen, die Menschen vollbringen, zählen vor Gott nicht als Bevorzugung irgendwelcher Art. Christ sein heißt: an Jesus dranbleiben – wie oben gesagt. Aber nochmals: wie ist das dann zu verstehen, dass Gott unser Gebet erhören wird? Und zwar nicht in irgendwelchem übertragenen Sinn sondern – so sagt es Jesus: Gott wird euch das geben, was ihr wollt! Ich gebe zu: das ist für mich ein Geheimnis. Jedenfalls meine ich herauszuhören, dass wir nicht nur beten sollen, sondern dass wir da ganz konkret werden sollen. Aber wie das Erhören aussieht, das bleibt für mich eine offene Frage.

Und ich meine: mit dieser offenen Frage sollen wir leben. Und glauben. Und beten. Und an Christus festhalten. Fest an ihm dranbleiben. Bleiben Sie behütet!

Ihr Pfarrer Hartmut Häcker